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Immer ein Kompromiss

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Energetische Sanierung von denkmalgeschützten Fenstern und Fassaden: Kompromisse zwischen Bautechnik und Denkmalschutz

Historische Fenster in Baudenkmälern bestehen meist aus Holz, Stahlprofilen oder Gusseisen und einer Einfachverglasung. Beim Austausch oder der Sanierung sind sowohl bautechnische Anforderungen als auch Aspekte des Denkmalschutzes zu beachten, ebenso wie die gesetzlichen Anforderungen der EnEV. Trotz Ausnahmeregelungen werden Planer oder Hersteller nicht vom Nachweis der wärmetechnischen Kennwerte entbunden.

Denkmalschutz und Bautechnik
Basis beim Erhalt historischer Baudenkmäler sind optisches Erscheinungsbild sowie historisch verwendete Materialien und Konstruktionen. Instandhaltung, Pflege und Substanzerhalt stehen dabei im Vordergrund; die Restaurierung ist die Ausnahme. Die Umsetzung der Sanierung erfolgt in drei Stufen:
 Erfassen: Untersuchung, Analyse und Dokumentation der geschichtlichen, künstlerischen, kulturellen und bautechnischen Bedeutung, z. B. Fensterteilung, Verbindungstechnik des Fensterrahmens, Baukörperanschluss, Wasserablauf, Beschädigungen am Holz.
 Erhalten: Materialien, Konstruktionen und Bautechniken zeichnen ein Baudenkmal aus und sind ein erhaltenswertes Gut.
 Verändern: Geänderte Anforderungen und Nutzungswünsche bedingen eine Veränderung, bei der Kompromisse zwischen Denkmalwerten und Nutzungserfordernissen gefunden werden müssen.
Eine Bauaufnahme umfasst das Aufmaß, eine Fotodokumentation und einen Bericht, der auch das Gebäudeumfeld berücksichtigt und durch bauhistorische, restauratorische oder archäologische Untersuchungen vertieft werden kann.
Historische Fensterkonstruktionen sind maßgeblich für das Erscheinungsbild eines Baudenkmals verantwortlich, weshalb deren Erhaltung und Instandsetzung ein wesentliches Ziel ist. Historische Beschläge sind möglichst in ihrer Funktionsweise zu erhalten und wiederzuverwenden. Die Holzoberfläche mit Bearbeitungsspuren sowie die Anstriche sind Teil der Biografie des Fensters und zu bewahren. Ist eine Reparatur nicht mehr möglich, soll der Nachbau historischer Fensterkonstruktionen bezüglich Material, Konstruktion, Funktionsweise, Dimensionierungen und Profilierungen möglichst genau rekonstruiert werden. Fenster aus Kunststoff oder Aluminium sind aus denkmalfachlicher Sicht nicht möglich.
Energetische Optimierung
In denkmalgeschützten Gebäuden sind häufig Fenster mit Einfachglas anzutreffen. Neben der energetischen Sanierung ist eine Verbesserung der Fenster auch aus Gründen der Sicherheit und des Schallschutzes sinnvoll. Eine energetische Verbesserung kann durch Erweiterung zum Kastenfenster oder Verbundfenster, Ergänzung mit einem Vorsatz-/Winterfenster, Einsetzen einer neuen Verglasung oder Austausch gegen ein neues Fenster erfolgen. Auch der Baukörperanschluss ist zu optimieren, um Wärmebrücken zu reduzieren. Maßgebliche Einflussgrößen sind die Tragfähigkeit, die Abmessung des Fensterflügels und die Belastbarkeit der Beschläge.
Erweiterung zum Kastenfenster. Hierbei wird im Innenraum ein weiteres Fenster montiert. Das innere Fenster wird in die Laibung oder auf die Innenwand gesetzt. Der innere Fensterrahmen ist luftdicht abzudichten, der Zwischenraum der beiden Fenster nach außen zu öffnen. Evtl. muss die Laibung gedämmt werden, um Tauwasser zu vermeiden. Der Wärmeschutz kann bis auf Passivhausniveau gebracht werden (UW-Wert ca. 0,7 W/m²K). Der Schallschutz kann wesentlich verbessert werden.
Erweiterung zum Verbundfenster. Am vorhandenen Fenster wird ein weiterer Fensterflügel montiert, um die Fenster zusammen öffnen und schließen zu können. Maßgeblich sind Ausführung und Tragfähigkeit der vorhandenen Beschläge. Der Raum zwischen altem und neuem Fenster ist nach außen zu öffnen. Der vorhandene Fensterrahmen ist luftdicht abzudichten. Es sind UW-Werte von bis zu 1,2 W/m²K möglich. Der Schallschutz kann wesentlich verbessert werden.
Austausch der Verglasung. Die alte Einfachverglasung wird durch Isolierglas ersetzt. Dies ist nur möglich, wenn der Glaseinstand mindestens 15 mm beträgt. Ist der Randverbund noch sichtbar, ist auf dessen UV-Beständigkeit zu achten. Der Glasfalz ist durch entsprechende Bohrungen nach außen zu öffnen. Der Scheibenzwischenraum darf 8 mm nicht unterschreiten, sodass sich beim Einsatz vorgespannter Dünngläser eine minimale Glasdicke von 14 mm (3–8–3) ergibt. Vakuumglas hat eine Dicke von ca. 4 bis 6 mm und eignet sich deshalb gut für den Austausch. Allerdings gibt es noch keine verlässlichen Aussagen zur störungsfreien Nutzungszeit. Beim Einglasen ist auf die Materialverträglichkeit mit Glasklötzen, Glasrandverbund und Oberflächenbeschichtung des Rahmens zu achten. Je nach Verglasungsart können folgende UW-Werte erreicht werden:
 beschichtetes Glas: ca. 3,0 W/m²K*1
 dünnes Isolierglas: ca. 1,2 W/m²K
 Vakuumglas: ca. 1,5 W/m2K
*1 kein normativ zulässiger Rechenwert
Austausch des Fensters. Die technischen Kennwerte eines neuen Fensters hängen maßgeblich von gestalterischen Kompromissen bezüglich Material, Profilbreite und Sprossenausführung ab. Holzfenster lassen sich relativ leicht original nachbilden. Beim Einsatz von Isolierglas sind i. d. R. größere Abmessungen für den Glasfalz erforderlich. Die erforderliche Tragfähigkeit gegenüber Windlast kann durch tiefere Profile oder Holz mit höherer Festigkeit verbessert werden. So können Fenster auch in denkmalgeschützter Ausführung in Passivhaus-Niveau ausgeführt werden.
Ausführung von Sprossen
Die Ausführung von Fenstersprossen hat erheblichen Einfluss auf den UW-Wert. Sprossen können glasteilend, aufgesetzt (aufgeklebt) und bei Isolierglas auch innen liegend sein. Glasteilende Sprossen beeinflussen den U-Wert sehr stark. Da gerade in denkmalgeschützten Fenstern Sprossen und kleine Gläser eingesetzt werden, sind unbedingt wärmetechnisch verbesserte Abstandhalter zu verwenden. Mehrfach glasteilende Sprossen (zwei horizontal und zwei vertikal) verschlechtern den UW-Wert um ca. 0,2 W/m²K gegenüber einem Fenster mit einfacher horizontaler und vertikaler Sprosse. Deshalb sollten bei nachrangigen Baudenkmälern auch aufgesetzte Sprossen diskutiert werden.
Der UW-Wert kann einfach gemäß Anhang J der Produktnorm EN 14351–1 über ein Tabellenverfahren nachgewiesen werden. Die Bestimmung des UW-Wertes von Sprossenfenstern erfolgt mittels Zuschlagsfaktoren. Dadurch ergeben sich jedoch im Regelfall schlechtere Werte, so dass ein Nachweis über Mess- bzw. Rechenmethoden sinnvoll sein kann.
Darüber hinaus müssen Prüfnachweise bezüglich Luft- und Schlagregendichtheit für Fenster mit Sprossen vorliegen. Eine Übertragung der Kennwerte von Fenstern ohne Sprossen ist nicht zulässig.
Bauanschluss und Wärmebrücken
Wärmebrücken sind Schwachstellen in der Gebäudehülle. Sie entstehen z. B. beim Anschluss unterschiedlicher Bauteile oder durch den Einsatz von Baustoffen mit unterschiedlicher Wärmeleitfähigkeit. Die Kennzeichen von Wärmebrücken sind:
 erhöhte Wärmeströme (Φ)
 niedrigere, raumseitige Oberflächen-     temperaturen (Θsi )
Die EnEV fordert in § 7 einen Mindestwärmeschutz für Wärmebrücken, der in DIN 4108 näher definiert wird. Kenngröße ist der Temperaturfaktor fRsi, der für das deutsche »Normklima« über 0,7 liegen muss. Der Nachweis kann über Zuschlagsfaktoren und Konstruktionsempfehlungen gemäß Beiblatt 2 DIN 4108, Wärmebrückenkataloge, durch Messen oder Berechnung der Oberflächentemperaturen erfolgen. Bei Baudenkmälern ist eine objektspezifische Berechnung ratsam. Der Wärmedurchgang über den Anschlussbereich wird wesentlich von der Einbauebene des Fensters sowie der richtigen Anordnung der Dämmschichten bestimmt.
Nachweise und CE-Kennzeichnung
Fenster und Außentüren müssen nach der Produktnorm EN 14351–1 mit dem CE-Kennzeichen versehen werden – auch in Kleinserie gefertigte Fenster für Baudenkmäler. In der Produktnorm werden die »Spielregeln« für die Ermittlung der Eigenschaften und technischen Kennwerte, die formalen Aspekte der Kennzeichnung sowie die Pflichten und Aufgaben des Herstellers beschrieben.
Der Kommentar zur EN 14351–1 erläutert die »Regelung bei Nicht-Serienfertigung« gemäß Anhang ZA 2. Die in der Produktnorm festgelegten Regelungen finden sich in den Artikeln 37 und 38 der Bauproduktenverordnung. Aus diesen Artikeln ergibt sich kein Verzicht auf eine CE-Kennzeichnung, sondern lediglich eine Erleichterung bei den anzuwendenden Verfahren. Die Gleichwertigkeit mit den in der Norm genannten Verfahren ist nachzuweisen. Die Haftung für die fachgerechte Ermittlung der Kennwerte und deren Deklarierung liegt beim Hersteller. Um dieses Risiko zu minimieren, lassen viele Hersteller auch Sonderfenster für Baudenkmäler durch eine erfahrene und kompetente Prüfstelle testen.

Jürgen Benitz-Wildenburg leitet den Bereich PR & Kommunikation des IFT Rosenheim

Manuel Demel ist stellvertretender Prüfstellenleiter im Labor Bauphysik am IFT

Der Beitrag Immer ein Kompromiss erschien zuerst auf dds – Das Magazin für Möbel und Ausbau.


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