Ein häufiger Streitpunkt im Neubau oder bei der Altbausanierung ist die Schwellenhöhe der Balkon- und Terrassentüren. Für die einen kann es nicht hoch genug sein, während es für die anderen nahezu schwellenlos sein muss. Soll dann noch die Bitumenschicht der Balkonabdichtung an die Türschwelle angeschlossen werden, wird gerne die DIN 18195 zitiert, in der angeblich eine Schwellenhöhe von 150 mm gefordert wird. Man hört dann Sätze wie: »Die Abdichtungsebene muss 150 mm hoch sein, ab Oberkante der Wasser führenden Schicht, bis Unterkante Entwässerungsöffnungen.« Kaum jemand ist jedoch in der Lage, diese Aussage wirklich zu belegen. Wird eine solche Schwelle realisiert, beträgt die Tritthöhe 150 mm zuzüglich der Höhe des Türprofils. Damit erreicht die Schwelle leicht eine Gesamthöhe von 230 mm und mehr, was höher als eine Treppenstufe ist.
Ein Blick in die Normen
Die in vielen Auseinandersetzungen immer wiederkehrende »wasserführende Schicht« als Bezugspunkt für die Höhe der Balkontürschwelle heranzuziehen, ist veraltet. Die wasserführende Schicht bezeichnet die Ebene der Bitumenabdichtung. Für die Berechnung der Schwellenhöhe einer Balkontür gilt dagegen »Oberfläche Belag oder Kiesschüttung«. Dies ist im Auszug der Flachdachrichtlinie DIN 18195 im Kapitel 5.4.3 erläutert.
Die in den Normen immer wieder beschriebene »Aufkantungshöhe« von 150 mm bezeichnet die Mindesthöhe zwischen Oberkante Belag und Wandanschluss, nicht jedoch die Höhe des Anschlusses bei Fenstertüren. Würde bei Fenstertüren diese Mindesthöhe eingehalten werden, ergäben sich zum Teil Schwellenhöhen, die für den Nutzer nicht mehr akzeptabel wären. Befindet sich auf der Terrasse noch eine Dämmung, sodass dort eine Belaghöhe von 200 mm erreicht wird, ergäbe sich gar eine Schwellenhöhe ca. 400 mm (200 mm + 150 mm + Rahmenhöhe). Das ist bei Balkon- und Terrassentüren weit über der dem Kunden zumutbaren Grenze.
Deshalb lässt die DIN 18195–9 explizit bei Türen Ausnahmen zu. Diese sind im Kapitel 5.4.4 beschrieben. Hier ist kein Wort davon, dass man bei Balkon- oder Terrassentüren eine Aufkantungshöhe von 150 mm einhalten muss, im Gegenteil. Den Machern der Abdichtungsnorm war sogar klar, dass man bei Türen solche Schwellenhöhen nicht gebrauchen kann. Deshalb wird von »besonderen Maßnahmen« bei der Abdichtung gesprochen, welche jedoch noch keine Entwässerungsrinne oder ein Vordach vorsehen. Ein Hinterfahren der Türschwelle (z. B. mit Bitumenbändern/Dichtbändern) reicht aus. Erst bei geringen Schwellen oder Schwellen ohne Aufkantung sind Vordächer, Gitterroste oder Entwässerungsrinnen gefordert.
Der Leitfaden zur Montage (Technische Richtlinie Nr. 20 , herausgegeben von den Berufsverbänden des Glaserhandwerks, Bundesverband Holz u. Kunststoff, IFT Rosenheim und dem Verband der Fenster- und Fassadenhersteller) widmet der Schwellenhöhe für Terrassentüren ein ganzes Kapitel, einschließlich Zeichnungen. Auch hier ist die Rede davon, dass Türschwellen niederer als 150 mm sein dürfen, sie müssen jedoch von der Abdichtung hinterfahren werden. Erst ab einer Schwellenhöhe von 50 mm und weniger wird in der Richtlinie von Entwässerungsrinnen, Gitterrosten oder Vordächern gesprochen (Kap. 3.1.3 Schwellenausbildung).
Von der Schweiz lernen
Obwohl die Schweizer mit ähnlichen Regenmengen wie wir zu rechnen haben und bei der Schneelast sogar mit deutlich höheren Werten kämpfen, wird die Problematik der Schwellenhöhe bei Balkon- und Terrassentüren mit typisch Schweizer Gelassenheit angegangen. Frei nach dem Motto: »Wer´s mit einer Schwellenhöhe von 60 mm nicht dicht bekommt, der schafft es auch bei 150 mm nicht«, werden in der Schweiz Schwellenhöhen von 60 mm als Normalhöhe angesehen. Wer gar als deutscher Fensterbauer auf schweizer Baustellen eine Schwellenhöhe von 150 mm bauen möchte, wird sowohl vom Architekten, als auch vom Bauabdichter als »spinneter Dütscher« oder »chaibi Schwob« betitelt. Wobei die letzte Bezeichnung als mittelkräftiges Schimpfwort für alle Deutschen verstanden wird und nicht nur für die Schwaben gilt.
Der Schweizer Verband der Bau- und Dachabdichter hat ein hervorragendes Merkblatt namens SIA 271 über Schwellenhöhen bei Balkon- und Terrassentüren herausgegeben, das in der Schweiz Normencharakter besitzt. Darin wird als normale Schwellenhöhe 60 mm propagiert, gemessen von der Oberkante der Nutzschicht (Gehbelag), bis unter die Entwässerungsöffnung der Tür. Eine Höhe von 150 mm findet sich im ganzen Merkblatt nicht, da solche Schwellen als nutzerunfreundlich angesehen werden. Freilich fordern auch die Schweizer, dass die Abdichtung bei Balkontüren nicht mit der Silikonspritze, sondern mit Abdichtungsbahnen durchgeführt werden, welche die Türschwellen hinterfahren müssen. Dies wird im Merkblatt ausführlich gezeigt.
Auch geht die Schweizer Norm sehr ausgiebig auf die Dichtheit von Rahmenverbreiterungen und Dehnstößen bei Türen ein und regelt diesen Bereich so genau wie ein Schweizer Uhrwerk. Schließlich umfasst dieses Merkblatt 24 Seiten, welche jede nur erdenkliche Situation, die mit der Abdichtung von Türschwellen zusammenhängt beschreibt. Allerdings immer mit der Prämisse, dass die Schwellenhöhe kundenfreundlich gestaltet werden muss. Ein Punkt, den wir in den deutschen Normen nur allzu häufig außer Acht lassen.
Zusammenfassung und Fazit
Die in der deutschen DIN 18195 geforderten 150 mm beziehen sich auf die Abdichtung von Flachdach zur Außenwand. Sie beziehen sich nicht auf die Türschwelle. Die 150 mm beginnen ab Oberkante des Belags, die immer wieder erwähnte »wasserführende Schicht« existiert in diesem Zusammenhang in der Norm nicht. Für die Schwellenhöhe von Türen ist in der deutschen Norm eine Unterschreitung der 150 mm erlaubt. Die Norm lässt für Hauseingänge, Terrassentüren, Balkon- oder Dachterrassentüren explizit Ausnahmen mit weit geringeren Höhen zu. Dabei müssen die Türschwellen von der Dichtungsebene unterfahren werden. Die Abdichtung mit Silikon im Türbereich ist tabu.
Summa summarum: Die Mindesthöhe für Türschwellen in Deutschland beträgt nicht 150 mm und etwas mehr Gelassenheit, wie sie unsere Kollegen in der Schweiz an den Tag legen, täte uns allen in dieser Diskussion gut.
* In diesem Beitrag werden Schwellenhöhen für
den Standardfall behandelt. Behindertengerechte Schwellen sind nicht Bestandteil dieses Beitrages.
Das Wichtigste in Kürze
Die in der deutschen DIN 18195 geforderten 150 mm beziehen sich nicht auf Türschwellen, sondern auf die Abdichtung von Flachdächern zur Außenwand. Die 150 mm beginnen ab Oberkante des Belags, die immer wieder erwähnte »wasserführende Schicht« existiert in diesem Zusammenhang in der Norm nicht.
Bei Türschwellen ist eine Unterschreitung der 150 mm erlaubt. Die deutsche Norm lässt für Hauseingänge, Terrassentüren, Balkon- oder Dachterrassentüren explizit Ausnahmen mit weit geringeren Höhen zu.
Türschwellen müssen von der Dichtungsebene unterfahren werden. Die Abdichtung mit Silikon im Türbereich ist tabu.
Glasemeister Jürgen Sieber ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger des Glaserhandwerks und Landesinnungsmeister im Fachverband Glas-Fenster-Fassade in Baden-Württemberg
Der Beitrag Sind 15 cm ein Muss? erschien zuerst auf dds – Das Magazin für Möbel und Ausbau.